Vor 75 Jahren wurde das Konzentrationslager am Zellwald aufgelöst
In diesen Tagen jährt sich das Ende des Zweiten Weltkriegs zum 75. Mal. In den Medien wurde bereits an eine Vielzahl bedeutender Ereignisse erinnert, wie die Hinrichtung Dietrich Bonhoeffers (9. April), die Befreiung des KZ Buchenwald (11. April) oder der Massenmord in der Feldscheune Isenschnibbe (13. April). Heute vor 75 Jahren, am 14. April 1945, wurde das Konzentrationslager in Nossen aufgelöst. Dieser Jahrestag soll Anlass für einen kurzen Blick auf die Geschichte dieses Lagers und seine Einordnung die Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft und der nationalsozialistischen Verbrechen sein.
Mit der Einrichtung einer Außenstelle des Lagers Flossenbürg wurde Nossen erst in den letzten Kriegsmonaten zum KZ-Standort. Am 29. Oktober 1944 erreichte der erste Transport mit 15 Häftlingen aus dem böhmischen Leitmeritz, ebenfalls Standort eines Flossenbürger Außenlagers, unsere Stadt. Ein zweiter Häftlingstransport mit 50 Gefangenen, die erst kurz zuvor aus Auschwitz nach Leitmeritz überstellt wurden, traf eine Woche später ein. Zu Beginn wurden die Häftlinge in den feuchten Kellern der Klostermühle untergebracht, was die Gesundheit der Zwangsarbeiter zusätzlich belastete. Dieser Ort war nicht zufällig gewählt. 1944 wurde in der Klostermühle ein Metallbetrieb des ehemaligen Luftwaffentestpiloten und Unternehmers Erich Warsitz eingerichtet. In dem unter dem Kürzel „Nowa“ firmierenden Betrieb mussten die Häftlinge Waffenhülsen herstellen. Täglich wurde zudem ein Teil des Außenkommandos nach Roßwein gefahren, wo sich in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs auf der Gersdorfer Straße die Metallgießerei der EBRO-Werke befand. Hier mussten die Zwangsarbeiter im Schichtbetrieb Flugzeug- und V-Waffenteile fertigen. Auch der Einsatz für Verladetätigkeiten am Nossener Bahnhof ist überliefert.
Bis zum Jahresende 1944 hatte sich durch Zugänge aus dem Stammlager in Flossenbürg die Häftlingszahl auf über 300 erhöht. Einen Monat später waren es bereits 471, die meisten von ihnen aus Polen und der Sowjetunion. Seit Dezember 1944 befanden sich auch rund 100 ungarische Juden im Lager. Das Wachkommando umfasste 53 SS-Männer unter dem Befehl des Unterscharführers Wetterau. Noch immer mussten die Gefangenen in den Kellern der Klostermühle hausen. Das eigentliche Lager im Pitzschetal zwischen Kloster und Pfarrberg wurde erst Ende Februar 1945 bezugsfertig. Die meisten der über 100 Toten fielen Krankheiten infolge der schlechten Unterbringung und mangelhaften medizinischen Versorgung zum Opfer. Die Mehrheit wurde in einem Massengrab auf dem neuen Nossener Friedhof beerdigt.
Am 14. April wurde das Außenlager geräumt. Während ein Teil der Häftlinge mit der Bahn nach Leitmeritz transportiert wurde, mussten die anderen sich zu Fuß auf den Marsch machen. Das Barackenlager wurde mit dem Abrücken von der SS niedergebrannt. Lediglich das massivere Verwaltungsgebäude blieb erhalten. Auf dem Gelände pausierten trotzdem noch weitere Todesmärsche, die in den kommenden Tagen über Nossen Richtung Erzgebirgskamm getrieben wurden.
Nossen war kein Ort, in dem die NS-Vernichtungsmaschinerie im besonderen Maße gewütet hätte. Aber das Lager im Pitzschetal war gleichzeitig ein typisches Beispiel für die in den Konzentrationslagern praktizierte Tötung durch Arbeit. Immerhin verlor in einem knappen halben Jahr jeder sechste Häftling sein Leben. Schon im November inspizierte der berüchtigte Lagerarzt Heinrich Schmitz das Nossener Außenlager und ließ kranke Gefangene ins Stammlager nach Flossenbürg verlegen, über deren Schicksal wohl das Schlimmste zu befürchten ist, wenn man Schmitz Wirken in Flossenbürg betrachtet, welches ihn 1948 an den Galgen brachte.
Die Errichtung kleiner Außenlager, die dem Einsatz von Zwangsarbeitern in einzelnen Rüstungsbetrieben dienten, war insbesondere in den letzten Kriegsjahren nicht ungewöhnlich. Die deutsche Industrie war zu diesem Zeitpunkt vollständig auf Kriegswirtschaft umgestellt und Zwangsarbeit ein wesentlicher Produktionsfaktor. Allein das KZ Flossenbürg führte rund 80 Außenlager, u. a. auch in Hainichen, Mittweida und Freiberg. Allerdings sind aus den drei vorgenannten Lagern deutlich niedrigere Todeszahlen bekannt.
Neben dem Ehrenmal auf dem alten Friedhof erinnert die Gedenkstelle auf dem neuen Friedhof an diesen dunklen Teil der Nossener Stadtgeschichte. In einer der letzten Stadtratssitzungen wurde durch Bürger der Stadt angemahnt, die langjährige Praxis der Kranzniederlegung wiederzubeleben. Dieser Gedanke sollte aufgegriffen und zum Volkstrauertag in die Tat umgesetzt werden.
In der Fotostrecke sehen Sie die beiden Nossener KZ-Standorte und das Mahnmal.